Ist das Monster jetzt wirklich tot?

Warum Corona nicht die größte Gefahr für das (US)-Kino ist

Wir kennen es alle aus Horror-Filmen: Das Monster ist nie auf Anhieb tot, es steht immer noch mal auf, manchmal auch zwei- oder dreimal und außer uns Zuschauern und Zuschauerinnen ahnt das niemand. Dem Kino scheint es in seiner inzwischen 150. jährigen Geschichte ebenso zu gehen: Es wurde tot gesagt, als das Fernsehen kam, dann als Video aufkam und jetzt scheinen Streaming und Corona ihm endgültig den Rest gegeben zu haben. Ich war 2020 kein einziges Mal im Kino, aber das nicht nur, weil die Kinos geschlossen waren. Schon 2019 bemerkte ich bei mir (Cineast aus Leidenschaft seit 35 Jahren) eine gewisse Ermüdung mit Teil X von was auch immer. Dabei mag ich das Marvel-Universum. Und ich gebe zu, dass Star Wars einfach alles an mich verkaufen kann. Ich bin ein Fan des Popcorn-Kinos, aber immer häufiger war am Ende des Films noch sehr viel Popcorn übrig. Dabei gibt es an den großen Franchises wenig zu meckern: Die Storys sind gut, haben einen gewissen Witz, technisch ist sowieso alles perfekt und es gibt viele frische Schauspieler*innen zu entdecken. Ich hatte bei all diesen Filmen nie das Gefühl, meine Zeit verschwendet zu haben, aber berührt haben sie mich auch nicht, es hat mir nicht das erhebende Gefühl beschert, bei etwas Bedeutendem dabei gewesen zu sein.

Liegt das an mir oder am Kino? Mit 35 Jahren Filmerfahrungen hat man eben alles schon mal gesehen. Wenn „Wonderwoman“ also angekündigt wird als ein Film, der endlich mal eine starke Frau in den Mittelpunkt stellt, denke ich unbeeindruckt: Hatten wir schon in der Serie „Xena“, und dort durchaus gewagter mit der angedeuteten lesbischen Beziehung zu ihrer Weggefährtin. Wenn uns in „Black Panther“ ein all black cast versprochen wird und damit eine neue Ära im Kino, denke ich an „Shaft“. Sogar die „Lethal Weapon“-Reihe war da innovativer, weil hier das Hollywood-Kino mit seinen eigenen Klischees brach und einen Schwarzen als bürgerlichen Familienvater zeigte und der Weiße den wilden Mann markierte. Bleibt der Eindruck, dass aktuelle Kinoproduktionen den Streaming-Formaten hinterher hecheln, die mit Serien über Transpersonen und Astronautinnen von sich Reden gemacht haben. Ich allerdings lebe nicht in einer Welt, in der Filme und Serien mir erklären müssen, dass Schwule ganz normale Menschen sind und Frauen mehr können, als sich Wimpern ankleben. Ich wünsche mir also nach Corona ein Kino, das mir etwas erzählt, was ich noch nicht kenne, das mich überrascht und herausfordert. Aber das ist eben das Problem: Überraschungen lassen sich nicht berechnen, Kinoproduktionen aber sind teuer und man muss berechnen können, dass es sich rechnet, also setzt man auf Fortsetzungen oder Neuverfilmungen mit anschließenden Fortsetzungen. Und so wandern die Wagnisse in den Streaming-Bereich ab. Das ist aber keineswegs der gelobte Boost für ungewöhnliche Themen; das wäre etwa so, als würde es die Gourmet-Kultur fördern, wenn jetzt alle zu Hause die 3-Sterne-Gerichte aus dem Internet nach kochen – davon hat die Allgemeinheit der Kulinariker gar nichts. Hätte es in den 90ern schon Streaming gegeben, wäre „Philadelphia“ eine ambitionierte Mini-Serie geworden, die ein paar Abonnenten begeistert hätte und nicht der Film, der mehr als alle Kampagnen die Stigmatisierung von (homosexuellen) HIV-infizierte bekämpfte. Das Angebot an Streaming-Kanälen und -Formaten ist längst unüberschaubar geworden und ein geteiltes Wissen in der Besprechung und Bewertung unmöglich. In meinem Umfeld verlaufen Gespräche über Filme und Serien etwa so: „Ich fand das ganz toll“ – „ja, kenn ich nicht“ – „läuft auf amazon prime“ – „ah, ich hab Netflix“ – „Hast du da dasunddas gesehen“ – „ne.“ – „Das ist doch HBO“ – „ach so“ – „Gibt es aber im Paket bei Anbieter X“ – „Hol dir besser primeflat Blah, da läuft auch dasunddas“. Und so weiter.

Das Kino ist am Ende, wenn man keine zwei Menschen mehr findet, die den selben Film gesehen haben.

Dennoch ist es verständlich, dass die Kreativen sich in die offeneren Arbeitsbedingungen der Streaming-Dienste fliehen, ähnlich wie sich viele in den 50ern zum Fernsehen geflüchtet haben (manche sind allerdings reumütig zurückgekehrt). Die Streaming-Anbieter werden um die Besten damit, dass man aus den Fehlern Hollywoods gelernt hat. Das waren vor allem die Fehler „alter weißer Männer“. Harvey Weinstein sitzt im Gefängnis, vor den Filmen von Roman Polanski wird demonstriert, Kevin Spacey ist kein Werbeträger mehr und sogar in den Nachrufen des hoch geschätzten Sean Connery konnte man lesen, dass er öfters empfohlen hat, Frauen mit Ohrfeigen zu disziplinieren. Und was macht Hollywood, um dieses Erbe abzuschütteln? Eine Neuverfilmungen von „Ghostbusters“ mit weiblichen Geisterjägern. Aber Tampon-Witze sind kein Neuaufbruch des Kinos und ich hoffe sehr, dass nicht irgendwo schon ein „Spartaca“-Drehbuch auf dem Tisch liegt.

Was also wird an die Stelle der alten weißen Männer Hollywoods treten? Die jungen weißen Männern offensichtlich nicht. Immer öfter lese ich in Interviews mit Schauspielern und Regisseuren in der Altersgruppe zwischen 30 und 40: Man(n) wolle lieber Zeit mit der Familie verbringen und wähle Drehbücher danach aus, ob sie keine allzu lange Trennung von Frau und Kindern mit sich bringen. Dieser Rückzug ins Private ist sicher auch eine Folge der shit-storm-Emsigkeit im Internet. Es war noch nie leicht, im Showbiz zu arbeiten, aber früher konnte man sich als Star zumindest auf seine Fans verlassen; inzwischen scheinen die Hater das Feld übernommen zu haben und jedes harmlose Urlaubsfoto führt zu Morddrohungen. Vorbei also die Zeiten, wo man als Getriebener vier Scheidungen und zehn Drogenabstürze in Kauf nahm. Einerseits Gott sei Dank; andererseits waren die Filme, die dabei entstanden deutlich besser als Kung Fu Panda Teil 8.

Was werden wir also sehen, wenn nach Corona die Lichter in den Studios wieder angehen? Wenn ich auf „News aus Hollywood“ klicke, sehe ich meist Kim Kardashian und Co. War´s das also?

Es gibt da diese Legende über die Kino-Krise der 70er: Da die Studios nun mal da standen, hat man ambitionierten Jung-Regisseuren die Schlüssel überlassen, einzig mit der Bitte, später auch auszufegen. Ansonsten durften sie machen, was sie wollten. So entstanden „Duell“ von Steven Spielberg und „American Graffiti“ von George Lucas oder „Die Zeit nach Mitternacht“ von Martin Scorsese. Wer wird jetzt die Schlüssel übernehmen? Vielleicht der chinesische Transmann; vielleicht der 37jährige Schauspieler, der endlich hinter der Kamera stehen will; vielleicht die afro-amerikanische Produzentin mit ihrem Herzensprojekt. Aber nicht das Kategorisieren der Beteiligten ist das Entscheidende, sondern die Inhalte; nicht die Technik schafft neue Eindrücke sondern die Form. Alles, was sich nicht dauernd wiederholt, bringt uns voran. Und was uns eint ist, Filme im Kino sehen zu wollen, über die man sprechen kann und will. Ich glaube jedenfalls immer noch daran, dass Hollywood mich überraschen kann.

Werbung

Game of Thrones trifft Herr der Ringe trifft Downton Abbey

 

Geht nicht? Doch – in der Mini-Serie „Gunpowder“, die als Dreiteiler in diesem Herbst auf BBC one laufen soll (eine deutsche Version ist noch nicht in Sicht).

Worum geht es? Um den in der englischen Geschichte berühmten Gunpowder Plot: 1605 plant der Katholik Robert Catesby (gespielt von GoT-Darsteller Kit Harington) das Houses auf Parliament während der Eröffnung der Sitzungsperiode in die Luft zu sprengen und König James I zu töten. Nach einer Zeit der religiösen Ausgleichs hatte der den Druck auf die Katholiken erhöht – aber Catesby hatte auch persönliche Gründe, einen Anschlag auf den König zu verüben. Der Schauspieler Kit Harington ist tatsächlich ein Nachfahre des Verschwörers und ebenfalls ein Nachfahre jenes John Haringstons, der beim Anblick des abgeschlagenen Kopfes von Catesby gesagt haben soll: „Na, das ist ja mal ein hässliches Kerlchen.“

Ohne spoilern zu wollen: Der Anschlag ging schief und wäre wohl sonst lange Zeit das größte Attentat der Geschichte gewesen. Für die Verschwörer endete es mit Folter und Hinrichtung, die Serie wird also nichts für zarte Gemüter sein.

In weiteren Rollen erwarten uns Liv Tyler (u.a. „Herr der Ringe“) und Tom Cullen aus „Downton Abbey“.

Zum Trailer

Keiner fragt, David Lynch antwortet

David Lynch: The Art Life, Dokumentation von Jon Nguyen und Rick Barnes

USA 2017, Kinostart: 31.08.17

Der erste Film, den ich von David Lynch sah, war die Verfilmung des Frank Herbert Romans „Dune – Der Wüstenplanet“ (1984). Auf dem Höhepunkt meiner Star Wars-Begeisterung ging ich enttäuscht aus dem Kino, ohne damals zu wissen, dass auch Kritiker diesen Film verrissen. Aber ausgerechnet dieser Film zeigte mir, was außergewöhnliche Regisseure ausmacht: Einzelne Sequenzen und Einstellungen dieses Films kamen mir immer wieder ins Gedächtnis. Jahre später sah ich eine mehrteilige Neuverfilmung von „Dune“, die mehr Tricktechnik, mehr Werktreue und mehr Filmminuten aufzuweisen hatte, aber bei mir in keiner Weise nachwirkte. Auf meiner Liste der Dinge, die gute Filmregisseure auszeichnen, ergänzte ich daher: Sie schaffen Filmszenen, die weder plausibel noch kausal sind und die mir trotzdem vertraut vorkommen. Wenn Dale Cooper in „Twin Peaks“ ständig Lageberichte für eine ewig unsichtbar bleibende Diane in ein Diktiergerät spricht, weiß ich nicht, was das soll, aber ich weiß, was es meint.

Leider scheint ausgerechnet dieser Hang zum mystisch Absurden David Lynch für die Kritiker vom Avantgarde-Regisseur („Wild at Heart“) zum Faktotum gemacht zu haben. Seinen esoterisch unterlegten Filmen unterstellt man Missionsarbeit für die Transzendentale Meditation (TM), zu deren Anhängern sich Lynch zählt (augenzwinkernd beleuchtet in der Dokumentation „David wants to fly“ von David Sieveking, 2010). Hollywood und seine religiös spirituellen Moden sind oft belächelt worden und gelten inzwischen als gänzlich uncool, weil auf YouTube BlingBling und nackte Haut nun mal besser funktionieren.

Vor einigen Jahren erklärte Lynch, dass er keine Filme mehr für das Kino machen will. Das große Erdbeben ob dieser Eröffnung blieb aus – nur kleine grau-unterlegte Feuilleton-Kommentare machten sich Gedanken dazu. Die TV Fortsetzung von Twin Peaks (im Original bereits angekündigt) hatte 2017 kaum die Medienpräsenz, die ein Cliff-Hänger in „Games of Thrones“ bekommt – aber David Lynch ist noch da. Er hat keinen Film fürs Kino gemacht, aber das Kino hat einen Film mit ihm gemacht. In „The Art Life“ kommt er zu Wort – nur er, keine Schauspieler, die Set-Anekdoten erzählen, keine Familienmitgliedern, die über seinen Charakter sinnieren. Lynch erzählt von seiner Kindheit und Jugend (behütet, sorglos, wer darin seinen Hang zum Dunklen und Brutalen sucht, sucht vergebens). Vor allem spricht er über die Malerei, denn Maler wollte er werden und ist er geworden. Keine Filmografie also, sondern ein ruhiger Einblick in das Schaffen eines Künstlers, der sich multimedial nennen konnte, bevor es das Wort in den Kunstunterricht geschafft hat.

Und ganz gleich, ob er in Zukunft noch Filme machen wird: Seine in roten Räumen tanzenden Zwerge, seine Fratzenfrauen in Hinterhöfen und seine schwerhörigen FBI-Beamten haben einen festen Platz in meiner persönlichen Mythologie.

Zur offiziellen Website  des Films (die Bildergalerie lohnt besonders – mein Lieblingsbild „Friends“)

Demnächst in diesem Kino ….

Diese Filmprojekte wurden angekündigt, und ich bin ziemlich gespannt darauf:

„Downton Abbey“ – der Film. Gerüchte wurden bestätigt: Die Produktion soll 2018 beginnen, überwiegend mit den Darstellern der Original Serie.

„Leonardo“ – Leonardo DiCaprio spielt seinen genialen Namensvetter Leonardo da Vinci in einem Biopic (Kinostart noch unbekannt)

„Star Wars“ – Obi-Wan Kenobi bekommt seinen eigenen Film – ja, ich werde der Star Wars Ableger nicht müde. Wer den Jedi Ritter spielen soll, ist noch unklar, Ewan McGregor hat aber öfter erklärt, er würde gerne wieder zum Lichtschwert greifen.

„Im freien Fall“ Teil 2 – In Teil 1 verliebten sich zwei Polizisten ineinander, mit offenem Ende. Ich bin ein bisschen in Sorge, dass eine Neuauflage zu lieblich wird. Da aber wieder der selbe Regisseur den Film umsetzt, bleibt die minimalistische Filmsprache hoffentlich erhalten.

„Picknick am Valentinstag“ – Für den (auf dem gleichnamigen Buch basierenden) Film von Peter Weir von 1975 ist ein Remake als 6-Teilige-Serie im Gespräch.